Notwendigkeit, die lokale Geschichte, und damit auch die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten, lebendig zu halten

Auf einer gut besuchten Mitgliederversammlung des SPD – Ortsvereines Wilhelmshaven West konnte der Ortsvereinsvorsitzende Karlheinz Föhlinger als Referenten den Historiker Hartmut Peters begrüßen. Er sprach zum Thema „Das Gröschler-Haus – Zentrum für jüdische Geschichte und Zeitgeschichte von Friesland und Wilhelmshaven“.

Hartmut Peters

Schon seit 1979 habe man, so Peters, damit begonnen, die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Friesland und Wilhelmshaven aufzuarbeiten, vielfach unterstützt durch Projektgruppen der Schülerinnen und Schüler des Mariengymnasiums Jever. Diese vielfältigen Aktivitäten führten im September 2014 zur Gründung des Gröschler-Hauses. Das sich noch in der Aufbauphase befindende Gröschler-Haus sei nach den beiden letzten und von den Nationalsozialisten ermordeten Vorstehern der Synagogengemeinde Jever, Hermann und Julius Gröschler, benannt worden. Es sei ein Informations- und Veranstaltungszentrum zur Jüdischen Geschichte und zur Zeitgeschichte der Region.

Hermann Gröschler

Julius Gröschler

Das Gröschler-Haus gäbe es zum einen physisch auf 140 Quadratmetern im Erdgeschoss eines Klinkerhauses in der Großen Wasserpfortstraße 19 in Jever.  Das Haus habe 1954 die hier seit der Zerstörung der jeverschen Synagoge durch den Novemberpogrom 1938 klaffende Baulücke geschlossen. Es sei kein Museum mit Exponaten zur jüdischen Kultur, sondern ein Informations- und Veranstaltungszentrum zur Jüdischen Geschichte und zur Zeitgeschichte der Region. Die Geschichte der Juden im Raum Friesland / Wilhelmshaven  werde in den historischen Prozess gestellt. „Zeitgeschichte“ meine auch Themen, die nichts mit den “langen Schatten”  der NS-Gewaltherrschaft zu tun haben, wie beispielsweise die aktuelle Situation von Geflüchteten in der Region. Zugleich verstehe sich das Gröschler-Haus als außerschulischer Lernort. Eine Ausstellung mit 54 Tafeln verdeutliche die Geschichte der Juden Jevers. Vier Module böten den Schulklassen eine intensive Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben in Wilhelmshaven und Friesland, insbesondere vor dem Hintergrund der Kriegs- und Nachkriegszeit: „Die Verfolgung der Juden ab 1933 in Jever“, „Die Geschichte der Juden in Jever – ein Überblick“, „Aufrüstung, Krieg, Befreiung und Nachkriegszeit in Wilhelmshaven und Jever“ und „Der jüdische Friedhof von Jever“.

Zum anderen stelle sich das Gröschler-Haus immateriell als Internetzeitschrift dar, so Peters. Die Internetzeitschrift groeschlerhaus.eu böte allen Interessierten einen reichhaltigen Fundus zur  Geschichte der Juden in Wilhelmshaven und Friesland und zu zeitgeschichtlichen Themen dieser Region. Eine umfassende Dokumentationssammlung auf der Seite „Dokumentationen“ arbeite wissenschaftlich Themen auf wie etwa die „Judenhäuser” in Jever, der Pogrom von 1938 und das Mahnmal für die ermordeten Juden, die Ermordung der Juden aus Jever 1938 – 1945 durch das NS-Terrorregime, die Vertreibung der Juden aus Jever in der NS-Zeit, die jüdische Familie Solmitz aus Heidmühle, die Vareler Synagoge und ihre Zerstörung 1938 oder aber Jüdische Schulkinder in Rüstringen: Schicksale zwischen Emigration und Holocaust. Ganz aktuell seien die Aufarbeitung des Lebens des Jeveraner Juden Fritz Levy als biographische Skizze und die Zerstörung der Synagoge Jevers im Novemberpogrom 1938. Ebenso habe man zeitgeschichtliche Themen wie beispielsweise die Gestapomorde 1944 in Sillenstede und Altgarmssiel, sowjetische Kriegsgefangene im Wilhelmshavener Lager „Schwarzer Weg“ und ihre Grabstätten, die Geheime Staatspolizei in Wilhelmshaven – Schaltzentrale des Terrors und die NS-Kriegsrüstung in Wilhelmshaven, Jever und Friesland aufgearbeitet. Der Dokumentationssammlung könne man zudem interessante Filme (Eva Basnizki über ihre Befreiung 1945 in Jever; Die Befreiung von Wilhelmshaven in einem Militärfilm der 1. Polnischen Panzerdivision) entnehmen. Die Seite „Erinnerungsorte Friesland“ bezeichne Kristallisationen des kollektiven Gedächtnisses und der gemeinsamen Geschichte im Sinne geographischer Orte in Wilhelmshaven und Friesland, aber auch einer Idee, eines Mythos oder eines Kunstwerks. Eine Landkarte führe Interessenten gezielt zu diesen Orten. Auch aktuelle Themen, wie etwa die derzeitige Flüchtlingswelle, greife die Internetzeitschrift des Gröschler-Hauses auf, so Peters.

Den Ausführungen der Referenten schloss sich eine rege Diskussion an. Deutlich wurde die Notwendigkeit, die lokale Geschichte, und damit auch die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten, lebendig zu halten. Dabei müsse die geschichtliche Vermittlung so aufbereitet sein, dass auch Jugendliche Zugang zu dieser Thematik bekämen. Die Arbeit des Gröschler-Hauses sei in diesem Zusammenhang beispielhaft und einmalig und strahle weit über die Region Wilhelmshaven / Friesland hinaus, so die anwesenden SPD – Mitglieder. Diese ehrenamtliche und gesellschaftlich relevante Arbeit müsse nicht nur ideell, sondern zukünftig auch massiver materiell unterstützt werden.

Der link zum Gröschler-Haus: www.groeschlerhaus.eu

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